Ich hab lange überlegt ob ich mich äußere, jetzt tue ichs doch. Ich möchte niemandem zu Nahe treten, aber fürchte es trotzdem zu tun.
TRIGGER WARNING: Sexualisierte Gewalt. Harte Worte. Polemik.
Wenn es nach den Vorfällen von Köln irgendjemandem um die Betroffenen gegangen wäre hätte man über Verschärfungen des Sexualstrafrechts reden müssen, über schwerere Strafen, aber auch über die verkorkste Definition von Vergewaltigung, und wie man schaffen kann dass mehr Betroffene sich trauen, Anzeige zu erstatten, wie man das Stigma des "Minirock-Arguments" und des victim blamings verhindern könnte.
Wollte aber keiner.
Die Polizei hat offensichtlich Mist gebaut, hat dann festgestellt dass die Täteridentitäten vermutlich für noch mehr Furore sorgen werden (im Ernst, das Thema wäre (leider) nach drei Tagen vorbei gewesen wenn das normale "Deutsche Männer" auf dem Oktoberfest gewesen wären) und hat dann die Salamitaktik angewandt, die Wasser auf die Mühlen aller Verschwörungstheoretiker*innen vom rechten Rand ist. Die Politik hat panisch reagiert, und statt dass einfach existierende Gesetze angewendet wurden, um die (hundert?) Täter zur Rechenschaft zu ziehen (und ich glaube das waren 13 Straftatbestände die da anwendbar sind) wurden Verschärfungen für Millionen Menschen mit der heißen Nadel gestrickt um den Rechtspopulist*innen hinterherzulaufen.
Ich bin definitiv für eine harte Bestrafung von Sexualstraftäter*innen, aber ich bin für eine gerechte und gleiche Strafe für alle.
Wenn ich als Passdeutscher cis-Mann übergriffig werde soll ich gefälligst genauso hart bestraft werden wie wenn andere es tun. Ich sehe nicht ein dass das für mich ne Bewährungsstrafe ist, während andere dafür ihr Bleiberecht verlieren. So bleibt dann ein Vergewaltiger ein Vergewaltiger - nur halt in Nordafrika oder anderswo. Ich glaube nicht dass das irgendeinen Lerneffekt bringt, die Betroffenen sind dann halt nur außer unserer Sichtweite.
Viele meiner Freund*innen haben Übergriffe erlebt, auf Oktoberfesten, auf Festivals, auf Privatparties, in öffentlichen Verkehrsmitteln. Jeder einzelne davon war schlimm, belastend und potenziell traumatisierend, und die allerwenigsten hatten für die Täter Folgen. Die Behauptung, dass dieses Verhalten aus einer misogynistischen fremden Kultur herrührt kann die wenigsten dieser Vorfälle erklären.
Wieso kommen die noch? - DER SPIEGEL 8/1990
Dieser Artikel aus dem Jahre 1990 beschreibt übrigens sehr gut, was Deutsche "Wirtschaftsflüchtlinge" tun wenn man sie in Turnhallen sperrt. Kurzum: Es kommt zu Gewalt, Kriminalität, sexuellen Übergriffen. Die Anzahl der bösen Moslems kann man dabei an einer Hand abzählen. Ohne dieses Verhalten irgendwie entschuldigen zu wollen: Es zeigen sich definitiv Zusammenhänge zwischen hoffnungslosen Lebenssituationen und sexuellen Übergriffen. Eine Lösung kann also sein, Menschen eine Perspektive zu bieten ehe sie zu Tätern werden.
Abschottung kann diese Probleme nicht beheben.
Ich verstehe die Logik hinter dieser Abschottung nicht. Was genau passiert mit den Menschen an den verschlossenen Grenzen? Im wesentlichen landen die dann in Ländern die nicht so reich sind wie wir, und nicht die Möglichkeiten haben ihnen ein menschenwürdiges Leben zu ermöglichen (nicht dass wir das tun würden, den Willen haben wir schließlich auch nicht).
Oder sie sterben einfach. Erfrieren in Zelten, ertrinken im Mittelmeer, ersticken in Schlepperlastwagen weil sie noch kompliziertere Wege versuchen oder werden von den Storchen-Beas und ihren treuen Gefolgsleuten an den Grenzen abgeknallt (Was zum Glück entgegen dem Quatsch den die AfD verzapft nicht mit dem Gesetz vereinbar ist, dafür müssten sie unmittelbar das Leben andere gefährden, was ein Grenzübertritt nicht tut). Klar, dann müssen wir uns nicht mit der Aufgabe beschäftigen sie zu integrieren (was wir offensichtlich nicht wollen), aber ist das eine echte Alternative?
Wenn man diese Politik fahren möchte, dann bitte auch ehrlich, sagen "Wir scheißen auf diejenigen, die in armen Ländern geboren wurden und wollen lieber dass sie verrecken als dass wir uns unserer Verantwortung als eines der reichsten Länder der Welt stellen" statt dabei irgendwelche Werte hochzuhalten. Wir können diese Menschen aufnehmen und ihnen ein lebenswertes Leben bieten, und wir können das auch ohne dabei Abstriche in unserer eigenen Sicherheit hinnehmen zu müssen, es wäre sogar noch gut für unsere Wirtschaft und die Demographie. Wir haben nur keine Lust. Genauso könnten wir uns auch der sexualisierten Gewalt von Deutschen Täter*innen stellen und dafür sorgen, dass Betroffene nicht mehr verschämt schweigen, aber da müssten wir uns mit uns selbst und den Menschen die uns nahe stehen beschäftigen, und das ist unangenehm, das wollen wir nicht. In diesem Land war Vergewaltigung in der Ehe vor 20 Jahren noch legal, und beispielsweise Horst Seehofer hat dafür gestimmt dass das so bleibt. Vielleicht sollten wir der CSU mal unsere kulturellen Werte vermitteln, danach sollte das bei denen die hier Hilfe suchen ein Kinderspiel sein.
Die elementarsten Rechte für Frauen, Homosexuelle, Trans*menschen wurden in den letzten Jahrzehnten erkämpft, und fristen ihr Dasein in einigen Teilen der Gesellschaft immer noch auf dem Papier - und würden vermutlich von denen die jetzt Bürgerwehren formen um "unsere Frauen" zu beschützen noch in der ersten Legislaturperiode abgeschafft. Ich glaube nicht, dass wir Freiheit mit Zäunen schützen können...
So, das war denn wohl mein Wort zum Frauenkampftag, jetzt bin ich lieber still und lasse andere sprechen.